Blog, Cannabis als Medizin

Das Geheimnis hinter THC-O-Acetat

THC-O-Acetat

In den USA wurde Cannabis bereits in elf von fünfzig Bundesstaaten legalisiert. Und auch in Deutschland ist Cannabis für schwere medizinische Fälle bereits auf Rezept erhältlich. Dabei könnten für die Medikamentenherstellung in der Zukunft vor allem hochkonzentrierte Substrate des Wirkstoffes THC eine wichtige Rolle spielen.

Eine Option dafür ist das unter synthetischen Bedingungen gewonnene THC-O-Acetat. Dieses genießt aufgrund einer sagenhaften 300 Prozent höheren Potenz als dem gewöhnlichen Cannabis einen legendären Ruf unter Kennern. Das beste: Einer Firma in den USA ist es erst kürzlich gelungen, das THC-O-Acetat zur Marktreife zu bringen.

Im folgenden Artikel wollen wir einen genaueren Blick auf das THC-O-Acetat werfen und genauere Einblicke in die Geschichte, die Wirkweise und die aktuellen Hintergründe des hochpotenten Moleküls geben.

Worum handelt es sich bei dem THC-O-Acetat?

Im Gegensatz zu dem unter seiner Abkürzung bekannten normalen THC, dem Molekül Tetrahydrocannabinol, liegt THC-O-Acetat nicht in seiner natürlichen Form vor. Vielmehr ist THC das Basisprodukt, aus dem dann das THC-O-Acetat in einem aufwendigen Verarbeitungsprozess unter Laborbedingungen gewonnen wird. Damit handelt es sich bei ihm um ein aus dem Ausgangsstoff THC hergestelltes, synthetisches Produkt.

Was für Freunde der als Naturprodukt geschätzten Cannabispflanze zunächst merkwürdig klingen mag, hat einen entscheidenden Vorteil. So ist die chemische Zusammensetzung des Endproduktes durch die synthetische Gewinnung stets die gleiche, was eine genaue Dosierung des Moleküls ermöglicht. Dies ist bei natürlich vorliegendem THC sicherlich nicht der Fall, da jede Cannabissorte unterschiedliche Zusammensetzungen aufweist. Und auch für bereits eine einzelne Pflanze gilt, dass aufgrund ihres natürlichen Wuchses stets von Schwankungen ihres THC Gehaltes ausgegangen werden muss. Gerade in der Hinsicht auf Medikamente also ist die synthetische Weiterverarbeitung des natürlichen Grundstoffes möglicherweise von Vorteil.

Herkömmliches Tetrahydrocannabinol wird zumeist geraucht oder durch den Verzehr konsumiert. Die Aktivierung der Wirkung erfolgt also durch das Verbrennen oder die Aufnahme über die Magenschleimhäute. Das THC-O-Acetat wird erst durch körpereigene Stoffwechselvorgänge aktiviert. Dies macht das THC-O-Acetat Molekül zu einer sogenannten metabolischen Prodrug. In diese Kategorie fällt zum Beispiel auch das psychoaktive Psilocybin. Während gewöhnliches Cannabis also im Prinzip sofort zum Gebrauch vorliegt, muss THC-O-Acetat erst künstlich hergestellt werden. Außerdem braucht es zu seiner Aktivierung spezieller körpereigene Vorgänge, die über das einfache Aufnehmen über die Lunge oder Magenschleimhaut hinausgehen. Während dieser werden die während des Herstellungsprozesses gebundenen Acetyle vom Körper wieder abgespalten. Dafür hat man mit dem Substrat aber auch ein extrem potentes Extrakt vorliegen.

Die Wirkung von THC-O-Acetat

Dadurch, dass das THC-O-Acetat die körpereigenen Stoffwechselvorgänge zur Aktivierung benötigt, braucht es etwa 30 Minuten bis die Wirkung eintritt. Die Wirkung von gewöhnlichem THC in gerauchter Form dagegen setzt häufig schneller ein. Seine Wirkung wird als sowohl sedierend und beruhigend als auch psychisch anregend beschrieben. 

Für das THC-O-Acetat kann davon ausgegangen werden, dass diese Wirkungen noch einmal um ein Vielfaches höher einzuschätzen sind. Michael Stark schätzt diese in seinem Buch „Marihuana Chemistry: Genetics, Processing, Potency“ als unglaubliche 300 Prozent stärker ein. Die Wirkung von reinem THC-O-Acetat kann also als stark psychoaktiv angesehen werden. Dies reicht bis hin zum psychedelischen Bereich, was auch die Nähe zu dem ebenfalls als metabolische Prodrug beschriebenes Psylocybin erklären kann.

Psychedelische Effekte kennen wir bereits von THC in seiner natürlichen Form, diese erreichen jedoch bei weitem nicht die Kraft des THC-O-Acetates. Würde man THC-O-Acetat in gleicher Weise und Menge konsumieren wie THC, dürften Aktivitäten wie ein konzentriertes Arbeiten sicherlich nicht mehr möglich sein. Dies gilt ebenso für einen ausgeruhten Schlaf. Da die menschliche Psyche unter dem Einfluss eines stark psychedelischen Stoffes zu sehr belastet ist, ist der Schlaf dann häufig beeinträchtig und gestört.

Näheres zur Geschichte des THC-O-Acetates

Das THC-O-Acetat ist seit mindestens Mitte des 19. Jahrhunderts unter Forschern bekannt.nZwischen 1948 und 1975 experimentierte die auf die Abwehr von chemischen, biologischen und radionuklearen Waffen spezialisierte „Chemical Crops“ eine Abteilung der US-Armee mit verschiedenen Substanzen wie LSD und dem THC-O-Acetat.  Im Rahmen der „Edgewood Arsenal human experiments“ wurden in Maryland, USA, an über 7.000 Soldaten und 1.000 Zivilisten getestet, wie psycho-chemische Substanzen auf Organismen und ihre Leistungsfähigkeit wirken.

Das THC-O-Acetat kam dabei an Hunden zum Einsatz. Hier ergab sich vor allem der Befund der Ataxie, also einer verminderten Fähigkeit zur Koordination von Muskelfunktionen und den dazugehörigen Bewegungs- und Körperfunktionen. Diese waren bei den Hunden zweimal mehr eingeschränkt als bei gewöhnlichem THC, wodurch die Tiere wortwörtlich lahmgelegt wurden.

Die Nationale Drogenbehörde der USA, die DEA, berichtet außerdem von einem ungewöhnlichen Vorfall in Jacksonville, Florida. Hier war es einer Einzelperson gelungen, das Molekül im privaten Rahmen herzustellen. Die Behörden fassten den Mann und er wurde inhaftiert. Der damalige Leiter der Behörde, Donald A. Cooper, berichtet jedoch, dass seiner Behörde seitdem keine Probe des Stoffes mehr vorlag. Die DEA stufte den Vorfall damit als vereinzeltes Ereignis ein und beschäftige sich nicht weiter mit dem Produkt.

Ein ähnlicher Fall wie der aus den USA ist außerdem aus Großbritannien bekannt. Hier hatte es ebenfalls eine Privatperson geschafft, das Molekül zu synthetisieren. Die örtlichen Behörden gingen davon aus, dass dem Mann dies nach der Lektüre von D. Gold’s Buch „Cannabis Alchemy“ gelungen war.

Cannabis-Alchemy

Stelle es nicht selbst zu Hause her.

In diesem unter Szenekennern als Klassiker geltendem, 1974 erstmals erschienenem Buch wird die Wirkung des THC-O-Acetates als „spiritueller und psychedelischer als das natürliche Produkt“ beschrieben. Wohl auch deswegen ist es in Großbritannien bis heute als „Class-A-Drug“ kategorisiert.

Damit fällt das THC-O-Acetat in die gleiche Kategorie wie Kokain, Heroin oder auch Crack. Der Besitz des Stoffes kann also mit bis zu 7 Jahren Gefängnis bestraft werden. Sollte man mit dem Handel des Substrates erwischt werden, droht einem sogar eine lebenslange Inhaftierung. Auch der private Hersteller des Moleküls wurde von den englischen Behörden inhaftiert.

Wie wird das THC-O-Acetat hergestellt?

Da es sich bei dem THC-O-Acetat Molekül um ein synthetisch gewonnenes Produkt handelt, ist die Herstellung des Moleküls in den eigenen vier Wände auf keinen Fall zu empfehlen. Zwar berichtet Donald A. Cooper von der amerikanischen Drogenbehörde DEA davon, dass der Prozess in ähnlicher Weise wie bei der Gewinnung von Heroin aus Morphium verläuft. Schon allein aber weil man dazu mit dem Soxhlet Extraktor ein Gerät aus der Laborpraxis braucht, geht die Herstellung weit über den üblichen Hausgebrauch hinaus.

So werden in dem Soxhlet Extraktor die löslichen Komponenten eines Stoffes kontinuierlich von den festen Teilen getrennt. Im Falle des Heroins wird dafür das aus dem getrockneten Milchsaft des Schlafmohns gewonnene Rohopium von dem Wirkstoff Morphin getrennt. Der konkrete chemische Prozess dürfte hier weit über das Wissen der durchschnittlichen Privatperson hinausgehen, da das Morphin an seinen beiden Hydroxylgruppen durch Essigsäureanhydrid oder Essigsäurechlorid acetyliert wird. Dabei tauscht sich das in dem Morphin enthaltene Wasser mit einer Acetylgruppe aus. Dieser Prozess ist für den Laien auch deswegen gefährlich, weil das Essigsäureanhydrid hoch brennbar und korrosiv ist. Seine Wirkung ist also sehr zerstörerisch für eine Umgebung, die nicht die strengen Auflagen offizieller Labore erfüllt.

Aktuelle Hintergründe zum Vertrieb

THC-O-Acetat-Forschung

Auch aufgrund der komplizierten Herstellung waren die Versuche während der „Edgewood Arsenal Human Experiments“ und der Vorfall in Großbritannien bisher Einzelfälle, in denen man etwas von dem THC-O-Acetat hören konnte. Erfahrungsberichte drangen selten bis gar nicht an eine breitere Öffentlichkeit vor. Trotz der legendären Wirkung und der verhältnismäßig guten Verfügbarkeit von natürlichem Cannabis lagen bis vor kurzem auch kaum Forschungsergebnisse der offiziellen Wissenschaft vor.

Im Zuge der breiten Legalisierung in den Vereinigten Staaten hat sich das jedoch geändert. Da Cannabis damit zu einem marktgängigen Produkt wurde, überbieten sich lizensierte Hersteller von Hanfprodukten momentan damit, innovative und immer potentere Produkte in den Handel zu bringen.

„Honest Marijuana“ aus Colorado ist es nun gelungen, für den US-Bundesstaat kurz vor der Einführung eines Produktes auf der Basis des THC-O-Acetat zu stehen. In der Herstellung setzt die Firma dabei auf eine patentierte Technik Namens „Nanobidiol“. Dies bedeutet:

  • Das Tetrahydrocannabinol wird in nahezu unsichtbare Moleküle aufgespalten. Diese können nur noch auf einem Nanolevel gemessen werden. Das entspricht dem billionsten Teil eines Meters.

  • Das THC wird sehr viel wasserlöslicher und lässt sich dadurch nahezu unbegrenzt weiterverarbeiten.

  • Es wurde ein sichereres chemisches Lösungsmittel als das hoch gefährliche Essigsäureanhydrid gefunden.

Das THC-O-Acetat Endprodukt ist im Ergebnis geruchs- und geschmacksneutral und lässt sich genauestens dosieren. Damit, so der Firmenassozierte Serge Christov, „wird das THC-O-Acetat ein Game Changer für diejenigen sein, die unter Angstzuständen und Schlafproblemen leiden.“

Die Bedeutung des THC-O-Acetates für heutige Cannabisprodukte

Cannabis wird von der Öffentlichkeit schon länger nicht mehr als ein bloßes Rauschmittel wahrgenommen. In Deutschland ist es Ärzten beispielsweise seit dem 1. März 2017 erlaubt, ihren Patienten in schweren Fällen Cannabisblüten zu verschreiben. Dies ist vor allem für Schmerzpatienten und diejenigen der Fall, die unter schweren Panik- und Angstzuständen leiden.

Es ist aber sicherlich nicht jedermanns Sache, die Blüten zu rauchen und sich den die Psyche anregenden Wirkungen zu unterwerfen. In beiden Fällen kann ein synthetisch gewonnenes Produkt auf der Basis von Tetrahydrocannabinol helfen. Dieses kann zum Beispiel in Tablettenform gebracht werden. Durch die medizinische Kontrolle und genaue Dosierungsmöglichkeiten des Moleküls ist es außerdem möglich einen Stoff herzustellen, der wirklich nur auf die gewünschte Art und Weise wirkt. Was in den USA bereits Realität ist, könnte somit auch in Deutschland bald der Fall sein: THC hätte es endgültig geschafft, aus der Schmuddelecke einer nur auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Nischendroge zu treten. Ganz im Gegenteil würde es zu therapeutischen Zwecken genutzt werden und unter kontrollierten Bedingungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ob THC-O-Acetat zukünftig hilfreich und nützlich sein kann für den therapeutischen Einsatz bei bestimmten Symptomen und in welcher Dosierung wird sich erst zeigen und Inhalt weiterer Forschung sein.

Schreibe einen Kommentar